Digitalisierung des Radios


Die Radiotheorie von Bertolt Brecht (1932) besagt, dass der

„Rundfunk […] aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln [ist]. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen“ (ebd., 260).

Brecht sieht die Aufgabe des Rundfunks somit nicht nur in dem Berichten über aktuelle Themen und Informationen erschöpft, er möchte auch, dass die Zuhörer sich bei beispielsweise politischen Themen mit den Politikern austauschen können.
Damit ruft er erstmalig zu einer Digitalisierung des Radios auf. Diese zieht sich jedoch nur sehr schleppend voran. Der Hauptgrund besteht vor allem darin, dass die Hörer ein neues Gerät kaufen müssen, da sich die analoge Antenne nicht, wie beispielsweise beim Fernsehen, um ein Zusatzgerät erweitern lässt, das den Empfang von Digitalradio ermöglicht. Des Weiteren wird die „Qualität bei UKW […] freilich von vielen als so hochwertig empfunden, dass es den meisten Menschen nicht zweckmäßig erscheint, ihre alten Geräte auszutauschen“ (Ollmann 2013, 131).
Der erste Versuch, digitales Radio einzuführen wurde 1982 von der Firma Telefunken unternommen. Diese entwickelten das „Digitale Satelliten Radio“ (DSR). Dieses bot 16 Programme, die auf CD-Qualität ausgestrahlt wurden. Es ermöglichte sogar eine unterschiedliche Regelung der Musik und Sprach-Lautstärke. DSR setzte sich bei den Zuhörern jedoch nicht durch, weshalb es im Januar 1999 wieder eingestellt wurde.
Im Jahr 1995 wurde ein weiterer Versuch unternommen, als man in Bayern das „Digital Audio Broadcasting“ (DAB) einführte. Entwickelt hat es in den 80er Jahren die Firma EUREKA. „In Deutschland wird DAB meist nur noch ‚Digital Radio‘ genannt“ (ebd., 133). Sein Vorteil gegenüber dem analogen Radio ist vor allem, dass die Audio-Qualität stets gleichbleibend einer CD-Qualität entspricht. Doch auch hier blieb die Akzeptanz der Hörer nur sehr gering, wodurch es sich in unserer Gesellschaft bisher nicht durchsetzen konnte.
Ein weiterer Versuch ist das „1996 von internationalen Rundfunksendern ins Leben gerufen[e]“ (ebd.) „Digital Radio Mondiale“ (DRM). Es nutzt den klassischen AM-Bereich, also die Kurz-, Mittel-, und Langwelle. Leider entstehen viele Störungen, wie zum Beispiel Rauschen oder Verzerrungen, die die Hauptgründe für eine geringe Akzeptanz bei den Zuhörern darstellen. Vorteile sind dagegen, dass zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel der Audiotitel, der Interpret oder nützliche Wetterinformationen über das Display ausgestrahlt werden können. Die Erweiterung DRM+ nutzt noch „höhere Datenraten und erreicht eine Quasi-CD-Qualität“ (ebd., 134). Trotzdem ist ein weiterer Minuspunkt bei DRM und DAB, dass beide nur einen Sendekanal und keinen Rückkanal besitzen.
Ungeachtet davon haben sich die Radiolandschaft und die Angebote des Radios weiter verändert (vgl. ebd.). Neben vielen Versuchen, die Technik des Radios zu digitalisieren, wurden ein paar grundlegende Veränderungen geschaffen. Dazu gehört zum Beispiel das vom Radioprogramm unabhängige Streamen der von den Sendern zur Verfügung gestellten Podcasts. Diese können die Hörer jeder Zeit nach Wunsch downloaden und sich so ihr eigenes Programm zusammenstellen.
Des Weiteren übertragen viele Sender ihr Programm zusätzlich oder, wie bei unserem Interviewpartner vom Uni-Radio, ausschließlich über das Internet. Damit ist es dem Radio ebenso möglich, weitere Vorteile, wie zum Beispiel soziale Netzwerke, zu nutzen, die die Hörer durch eine Community an den Sender binden.
Das Problem hierbei besteht jedoch darin, dass die Hörer-Zahl nur auf die Kapazität der Server begrenzt ist und meistens das hauseigene WLAN benötigt wird. Das mobile Internet ist trotz der vielen LTE-Angebote nicht leistungsfähig genug, sodass der Hörgenuss auch hier schnell gestört ist.

„Deshalb, so die übereinstimmende Sicht in der ARD, braucht es für die digitale Radioverbreitung auch eine terrestrische Ausstrahlung über klassische Broadcast-Netze. Wie das System heißt und wie es technisch im Detail aussieht, ist dabei eigentlich egal. Es muss nur für eine Flächendeckung ebenso geeignet sein wie für den Einbau entsprechender Empfangschips in Autos, Handys und den Rest der mobilen Unterhaltungselektronik“ (Malfeld / Schlicksupp 2011, 246)

Eine weitere Form der Digitalisierung stellt das individuelle Radio dar. Das beste Beispiel hierfür ist das US-Amerikanische Internetradio „PANDORA“. Der Hörer kann hier sein Programm individuell nach Wünschen und Stimmung zusammenstellen. Nach einer Analyse des Musikgeschmacks mithilfe dafür entwickelter Programme, wird so ein Programm individuell für jeden Rezipienten zusammengestellt. Gefällt diesem ein Musiktitel nicht, teilt er es dem Sender einfach mit. PANDORA ist jedoch nur noch auf IP-Adressen der USA beschränkt und in Deutschland somit nicht nutzbar.
Bevor ich in einem weiteren Schritt zu den Bildungspotenzialen des Radios komme, möchte ich zuerst noch einen allgemeinen Überblick über die Theorie der Medienbildung und die mediale Artikulation geben, mithilfe derer diese Bildungspotenziale untersucht werden können.

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